Luis wollte niemals ein Held sein. Doch er besitzt besondere Fähigkeiten und spezielle Sensibilitäten, die er sich bei Aufenthalten in extremen Ländern angeeignet hat. Luis will die Menschen in diesen Ländern verstehen. Er will sie anfassen, fühlen, riechen und ein Stück weit ihre Lebenssituation teilen. Und er will sein Lager mit den attraktiven Töchtern dieser Länder teilen.
Nach dem Zusammenbruch des Euro und einer Verschwörung von Geheimdiensten schließt sich auch Luis dem wachsenden Widerstand an. Aber schon bald gerät ihre Organisation in das Fadenkreuz der Repession ...
Leseprobe:
In der Bahnhofsvorhalle sind in gestaffelten Reihen Tische
und Bänke aufgestellt, wie in einem Festzelt des Schützenplatzes.
Papiertücher, Plastikbesteck und Pappbecher.
Kommt wohl in der Tat aus Beständen der Brauereien, die
ja wahrscheinlich auch prächtig von der Misere profitieren.
In Krisenzeiten wird doch immer am meisten gesoffen.
Emsige Schwestern des Roten Kreuzes huschen mit ihren
Uniformen durch Reihen, die sich nun langsam füllen und
treffen die letzten Vorbereitung zur Verköstigung der
Massen. Vor der Gulaschkanone hat sich eine Kompanie
Heilarmee aufgebaut und hebt mit Gesang und Broschüren
die Moral, während der Küchenbulle mit einer riesiger
Schöpfkelle seinen Eintopf verteidigt. Die Speisung scheint
jeden Moment zu beginnen.
Oliver sitzt in der äußeren Reihe am Rande und schaut
etwas gehetzt in die Runde.
Als er Luis entdeckt, steht er auf und winkt: »Hallo,
keine Namen jetzt, reich mir erst mal deine Jacke« und zieht
eine kleine Handbürste aus seiner Tasche.
Er greift sich Luis Stoffjacke und fährt hastig mit der Bürste
hinten und vorne über die Außenseiten. Dann stellt er sich
neben ihn, macht verstohlen mit dem Zeigefinger das
weltbekannte Schweigezeichen und streicht mit drei schnellen
Handbewegungen über die Hose seines Gegenüber.
Danach sucht er ein paar Minuten den Boden ab, nickt befriedigt
und setzt sich wieder.
Jetzt erst erscheint auf seinem Gesicht ein herzliches Begrüßungslächeln.
»Tut mir leid, aber das ist heutzutage notwendig. Na wie
geht es Luis, wie war euer Urlaub?«
»Sehr außergewöhnlich, aber erzähle mir erst mal, was hier
los ist. Warum dieser Kleidercheck? Suchst du Mikros?«
»Ja, das geht natürlich nicht gegen dich. Ist ne Vorsichtsmaßnahme.
Luis reicht ihm die Jacke nochmal. »Na, dann such
wenigstens gründlich. Innen hast du gar nicht gecheckt.«
»Ist schon gut so,« winkt Oliver ab.
Luis fühlt ein mulmiges Gefühl im Magen anwachsen. ´Nun
auch Oliver, der war sonst immer so stabil. Hier bekommen
wohl inzwischen alle leicht paranoide Schlagseite. Ist
wahrscheinlich nicht verwunderlich.` Laut sagt er : »Ich
hoffe, du hast einen konkreten Grund für den Verdacht?«
»Sag mir bitte, ob Sonya bei der Ankunft im Flughafen von
einer Mücke gestochen wurde,« kommt die Gegenfrage.
Das flaue Gefühl im Magen verstärkt sich »Ja, woher weißt
du das? Oder ist das eine Vermutung?«
Oliver beugt sich weiter über den Tisch und flüstert eindringlich
»Luis, das war keine Mücke. Das war eine Minidrohne.
Eine neue MAV. Ein widerlicher, beschissener, ferngelenkter
Flugapparat, made in Germany. Etwas größer als
eine normale Mücke, aber das merken die Leute nicht.
Fliegt, sticht und schnurrt wieder ab. Gesteuert vom BND.
Verstehst du, das sind nicht die Amis, keine CIA , NSA oder
so. Die Dinger sind von hier.«
Die beiden schauen sich einen Moment reglos an. »Bist du
da ganz sicher?«
»Ja, leider bin ich das. Carola ist auch bei der Ankunft
gestochen worden. Meine Frau übrigens auch, aber nicht auf
dem Flughafen.«
»Das muss nicht unbedingt was sagen. Jetzt ist Sommer,
auch wenn es zur Zeit etwas kühl ist. In der Abfertigungshalle
gestern war jedenfalls richtige Schwüle. Da war die
Klimaanlage ausgefallen.«
»Gut dann erzähle mir mal, was ihr beiden gestern Nacht
gemacht habt.«
»Na nichts, wir waren doch platt nach dem Flug. Also nur
mit einem Taxi noch kurz zum Supermarkt und in Sonyas
Wohnung. Übrigens richtig teuer im Supermarkt und der
Taxifahrer war ein Arsch. Duschen und pennen, das war
schon alles.«
»Nein, das war bestimmt nicht alles. Ihr hattet noch die
halbe Nacht Sex, unheimlich geil und erregend, einen
wahrhaften Rausch. So wie nie zuvor. Stimmt doch, oder?«
Plötzlich ahnt Luis, was Oliver ihm mitteilen will, aber noch
hat er ein letztes Argument, das ihm Aufschub gibt: »Ja,
schon gut, aber wir hatten solche Situationen schon vorher.
In Kuba zum Beispiel.«
Oliver horcht auf. »In Kuba? Das unterstützt die Theorie, die
Viecher auch schon vor dem Zusammenbruch eingesetzt
wurden. Einige Leute behaupten das auch, interessant. Wie
war das in Kuba genau?«
»Wir haben im Taxi eine Orgie abgezogen, wenn du es
genau wissen willst. Gleich nach der Ankunft.«
»Im Taxi? Das ist schon merkwürdig!«
»Du warst wohl noch nie in Kuba. Also gut, das ist nicht
Standard, aber auch nicht unbedingt die absolute Ausnahme.
Privattaxi, vorsintflutlicher Amischlitten mit den riesigen
Rückbänken. Fast wie ein Wasserbett auf hoher See, wenn
der Wagen rollt. Einige dieser Privattaxis sind rollende
Liebesnester. Die werden überhaupt nur deshalb gemietet,
weil der Tourist normalerweise kein Girl mit auf sein Hotelzimmer
nehmen kann. Das Ganze ist natürlich illegal, aber
irgendwie müssen die Kubaner ja schließlich an Dollars
kommen.«
»Nein, nicht deshalb. Pass auf, die Frau kriegt also eine
Substanz gespritzt, die sexuell stimuliert und starke Geruchskomponenten
freisetzt. Dieses Parfüm lockt wiederum
andere Drohnen an und führt die ins Ziel. Aber damit das
privat und zielgerichtet ist und nicht der ganze Flughafen
nach diesem Parfüm riecht, entfaltet sich der Duft erst nach
einer Dusche. Braucht also Berührung mit Wasser. Deshalb
ist das mit dem Flughafentaxi seltsam.«
»Sonya hat sich vor dem Flughafen durchregnen lassen,
bevor das Taxi kam. Sozusagen zur spirituellen Begrüßung.«
»Ok - dann macht es Sinn. Dann haben die also schon vor
dem Crash Versuche gemacht.«
»Verdammt - Versuche! Das ist genau das treffende Wort,
mein Lieber, Versuche! Wir waren also eindeutig Versuchskaninchen.
Was für eine Sauerei! Da glaubt man an Leidenschaft,
karibische Erotik, geheimnisvolle Mystik - und dann
ist es eine Droge aus Pullach. Ein parfümierter Kampfstoff!«
Plötzlich stößt Luis ein gluckerndes Lachen aus. Oliver
schaut ihn besorgt an.
»Schön, dass du deinen Humor nicht verloren hast. Es gibt
zur Zeit nicht grade viele lustige Menschen im Land. Denkst
du an Kuba?«
»Ich denke an den Taxifahrer. Der hat erst wohl kaum was
gerochen, weil er so ein Kraut geraucht hat. Stank wie bei
der Müllverbrennung. Von wegen feine kubanische Zigarren,
die sind nur für den Export. Also erst hat der wohl gar nichts
gerochen, genau wie ich selber. Aber dann muss der irgendwann
den Stumpen weggeworfen haben. Wahrscheinlich hat
der sich vorne im Taxi einen gerubbelt, während wir da
hinten …
Jedenfalls sah der verdächtig geschafft aus, als wir
angehalten haben. Mensch, wenn ich das Sonya erzähle, die
kriegt echt ne Krise!«
Jetzt lacht auch Oliver.
»Schön dass ihr wieder da seid Luis, ich habe schon ewig
nicht mehr gelacht.« Aber gleich wird er wieder ernst:
»Egal wie, erzählen musst du es ihr. Ihr solltet auch überlegen,
ob es für sie nicht überhaupt besser wäre, nach Kuba
abzuhauen. Möglicherweise geht das bald nicht mehr so
ohne weiteres. Doch lass uns erst mal unser Essen abholen,
sonst fallen wir auf.«
Oliver stellt sich an und holt beide Portionen. Die Tische
haben sich inzwischen gefüllt, aber Luis hält den Platz
gegenüber frei.
»Gar nicht mal übel, irgendwie nahrhaft. Aber du wolltest
hierher, weil bei diesem Lärm nicht überwacht werden kann,
hab ich Recht?«
»Ja, das wäre aus verschiedenen Gründen schwierig. Es sei
denn, Sonya ist mit dabei. Die bekommt den Geruch nicht so
schnell los. Luis, bitte erzähle ihr den Grund warum ich sie
erst mal nicht dabei haben wollte, es ist also nichts Persönliches
oder Vertrauen oder so. Aber sie lockt halt die Lauscher
an, tut mir leid.«
*